KARUSSELL live am 12. März 2011 open air am Skihang in Oberwiesenthal
KARUSSELL live am 12. März 2011 open air am Skihang in
Oberwiesenthal
Dass ich freiwillig an einen Skihang fahre, hätte mir niemand geglaubt, wenn ich das vorher erzählt hätte. Aber Mensch muss auch mal in der Lage sein Opfer zu bringen, wenn er sich selbst eine Freude machen will. Ich mag keinen Schnee und auf schmalen Brettern habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr gestanden. Ich gedenke auch nicht das in nächster Zeit wieder zu tun. Mensch sein heißt auch seine Grenzen zu kennen und Ski Heil –Bein kaputt muss ich mir aus diesem Grund auch nicht (mehr) geben *grins*. Bei angenehmen Plusgraden näherte ich mich gemächlich mit meinem motorgetriebenen Fortbewegungsmittel dem Fichtelberg an, denn dort irgendwo würde ich mein konkretes Reiseziel schon finden. Wenigstens war das weiße Katastrophenpulver selbst in der höchstgelegenen Stadt Deutschlands nur noch auf einzelne Flecken begrenzt und natürlich auf den Skihang. Wobei beim Hang ja auch schon kräftig mit Schneekanonen nachgeholfen werden musste. Aber Schnee, Piste und Jagertee waren es nicht, die mich zielstrebig so weit nach oben in die Höhen des Erzgebirges lockten. Meine Expedition sollte mich zum x-ten Male in meinem Leben an eine Bühne führen, um ein paar Stunden in die Welten guter, handgemachter Rockmusik abzutauchen. Ein Garant für mein höchstpersönliches Seelengleichgewicht war und ist für mich seit Jahrzehnten die Musik der Gruppe KARUSSELL. In vielen Liedern dieser Band kann ich mich einfach wiederfinden. Es war und ist für mich ein wahres Geschenk, dass ich seit dem 10. Februar 2008 viele diese Perlen (ost-)deutscher Rockmusik wieder live hören kann.
Froh gestimmt erreichte ich den Fuß des besagten Skihangs und woran ich im Vorfeld nicht so recht geglaubt hatte, die Jungs würden tatsächlich open air spielen. Die Bühne war schon bestens vorbereitet. So früh im Jahr war ich noch nie zu einer Freiluft-Mugge. Das war schon was Besonderes für die Fans und so verwunderte es nicht, dass sie dafür weite Anreisewege in Kauf genommen haben. Leipzig, Berlin und Bautzen liegen ja nicht gerade um die Ecke von Oberwiesenthal. Es gehört für mich einfach dazu und macht auch einen Teil des Reizes aus, KARUSSELL-Muggen zu besuchen, weil man da immer wieder auf nette Leute treffen kann. Dass darunter viele Mitglieder des KARUSSELL-Fanclubs „Autostop“ sind, liegt in der Natur der Sache.
Pünktlich 19.00 Uhr leitete Joe Raschke das Konzert mit dem Intro ein und bei den instrumentalen Klängen von „Als ich fortging“ sah man im Publikum die ersten Augen leuchten. Aber bis die KARUSSELLer dies Lied komplett mit Gesang intonieren würden, mussten sich die Besucher aber noch rund 1,5 Stunden gedulden. Das sollte den Leuten aber nicht schwerfallen, denn die Band kann ja auf eine Vielzahl großartiger und bekannter Lieder zurückgreifen. „Der Gitarrist“, „Mc Donald“ und „Mein Bruder Blues“ waren da schon die richtigen Aufwärmer. Übrigens fand ich die Temperaturen in Oberwiesenthal ausgesprochen milde und angenehm. Das hatte ich so gar nicht erwartet. Vielleicht bildete ich mir das ja auch nur ein und/oder die Musik von KARUSSELL erwärmte mich nur. Die Jungs waren aber auch wieder allererste Sahne. Nicht nur dass sie bekannt spielfreudig ihr Programm darboten, die Musiker waren wieder ausgesprochen gut gelaunt und das Konzert war von der Titelfolge dramaturgisch sehr gut aufgebaut. KARUSSELL ist keine Revival-Band, sondern sie knüpft an ihre erfolgreichsten Zeiten an und KARUSSELL entwickelt sich seit dem Comeback-Konzert auch konsequent weiter. Einige neue Lieder sind ja schon entstanden und diese fanden im letzten Jahr schon den Weg zu den Fans über die Konzerte und über die Maxisingle „Habseeligkeiten“. Mit „Wer wenn nicht wir“ und „Keine Zeit“ ließen sie nun 2 nagelneue Songs in den Nachthimmel von Oberwiesenthal steigen. Es ist ja kein Geheimnis, dass die 6 Musiker sich zur Zeit viel im Studio aufhalten und an einer neuen CD arbeiten, die Ende Mai diesen Jahres erscheinen soll. Ich fand diese neuen Früchte des künstlerischen Schaffens von KARUSSELL beim ersten Hören sehr gelungen. Wobei der eine Titel nach meiner Meinung ziemlich untypisch für die Band klingt, aber doch auch den erwarteten Qualitätsmaßstäben aus sinnvollen Text und guter handgemachter Rockmusik entspricht. Aber ich möchte noch nicht zu viel verraten und euch nicht die Vorfreude auf die neuen Songs nehmen.
Joe Raschke kann man auch guten Gewissens als KARUSSELL-Kind bezeichnen, denn er wuchs quasi mit der Band auf. Der Sohn von (Leit-)Wolf-Rüdiger Raschke hat auf der Bühne längst seinen eigenen Stil gefunden und sein jugendlicher Elan treibt die Band mit voran. Er hat nicht nur musikalische Gene von seinem Vater in die Wiege gelegt bekommen, sondern auch eine ordentliche Dosis Charisma und Selbstsicherheit. Das sah man auch wieder bei dieser Mugge, denn Joe war für Band und Publikum wieder ein angenehmer Lotse durchs Programm. Er kann da ja auch schon auf seine eigenen Erfahrungen bauen, die er in geschätzt über 150 KARUSSELL-Konzerten sammeln konnte. Last but not least teilte er sich außerdem mit Reinhard „Oschek“ Huth den Gesangspart und damit eines der tragenden Elemente der Show. Überhaupt sind diese vermeintlichen Gegensätze zwischen alt und jung sowie den beiden Gesangstimmen von Joe und Oschek so was wie das Salz in der KARUSSELL-Suppe.
Raschke Junior setzte seine stimmlichen Duftmarken besonders bei Cäsar-Titeln wie „Besinnung“, „Gauner Whisky“ oder „Zweifel“. Reinhard Huth glänzte mit seiner Stimme bei „Ehrlich will ich bleiben“, „Stern der Liebe“ oder „Schlaraffenberg“. Dass er die einzig wahre Stimme von „Wie ein Fischlein unterm Eis“ ist, wissen wir selbstverständlich auch nicht erst seit dem gestrigen Abend.
Hans Graf, dem quirligen Gitarrero der Band sollte man mal einen Kilometerzähler ans Bein binden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sein Aktionsradius den manchen Fußballers in 90 Minuten locker übertrifft. Dazu spielt der Graf unter den Gitarristen auch noch eine höllisch gute E-Gitarre und seine Soloparts sind einfach eine Wucht. Dass KARUSSELL-Musik und Showelemente sich nicht von vornherein ausschließen müssen, ist auch eine der Tugenden der Band anno 2011. Hans ist da ein gutes Beispiel, wenn er seine Solos nah an den Fans am Bühnenrand zelebriert. Sicher ist das Kernelement von KARUSSELL immer noch die Musik, aber eine erfrischende, lockere Livedarbietung setzt dieser meiner Meinung nach eine würdige Krone auf. Dazu gehören heutzutage die Solos von Jan Kirsten und Benno Jähnert genauso, wie die gemeinsame Animation des Publikums von Wolf-Rüdiger und Joe oder ihr vierhändiges Keyboardspiel beim „Whisky“. Selbstverständlich gehören auch Oscheks Gesten oder Joes dynamischer Sprint ans Keyboard seines Erzeugers dazu. Dem Großteil des Publikums gefiel es jedenfalls und die Beweise waren Beifall, brennende Wunderkerzen und Mitsing- und Mitsumm-Chöre bei „Autostop“ und „Als ich fortging“. Die lautstark geforderten Zugaben unterstrichen diesen Eindruck zusätzlich. Zwei Mal kehrte KARUSSELL nach diesen Rufen auf die Bühne zurück und eine dritte Zusatzrunde entfiel wohl nur, weil der veranschlagte Zeitrahmen für das Konzert restlos ausgereizt war. Schließlich wollten die Veranstalter den Gästen unter anderem auch noch eine nächtliche Fackelabfahrt und eine Lasershow bieten. Übrigens müssen gute Konzerte nicht immer teuer sein, denn gestern gab es die Band am Fuße des Skihanges von Oberwiesenthal für lau. Während Wolf, Oschek, Joe, Hans, Jan und Benno für die Fans noch fleißig ihre Namenszüge auf Autogrammkarten und CDs verewigten, verließ ich die Stadt bereits in Richtung Autobahn.
Kundi